Stand: Mai 2009

Neulich auf der A3



„Mein Tubus sass…“

Als ich am Samstag von der RettMobil nach Hause fuhr, kam ich doch zufällig zu einem Verkehrsunfall. Klar, dass noch keine Kollegen vor Ort waren (schon erstaunlich, wie gut der Funk-Scanner im Auto funktioniert). Tja, da konnte ich mein neues Magnetblaulicht (Messepreis) gleich ausprobieren. Funktionierte bestens, wäre ansonsten durch den Stau gar nicht durchgekommen!

Am Unfallort angekommen, musste ich mich entscheiden: Nehm ich das Rückenschild „Rettungsdienst“, „Sanitäter“ oder „Einsatzleiter“? Hab’s dann aber ganz bleiben lassen, weil ich aus dem Funk erfuhr, dass der Hubschrauber in vier Minuten zur Landung geht. Vier Minuten! Da kann man ja fast nichts machen! Ich also schnell meinen Notfallkoffer aus dem Kofferraum geholt und so aufgeklappt, dass man die Herkunftsbezeichnung (1-83-3) nicht lesen konnte (muss ich unbedingt mit Nagellackentferner noch mal dran), und sofort den Venenstauer beim Patienten angelegt. Gott sei Dank war der Mann bewusstlos. Was hätte das sonst wieder für ein Geschrei gegeben. Leider musste ich aus Zeitgründen (4 Minuten!) auf die Desinfektion verzichten. Was soll’s!

Die waren ja eh alle froh, dass überhaupt jemand geholfen hat. War nur blöd, dass da so eine Arzthelferin dabei war, die immer wieder sagte, dass wir den Patienten auf die Seite legen sollten, so von wegen Bewusstlosigkeit und Aspiration. Seitenlage! Das ist doch nur was für Ersthelfer (= blutige Anfänger), nichts für Profis wie mich.

Na gut, dachte ich, nachdem ich alle Viggo’s verschossen hatte, wenden wir uns der Atmung zu und überlassen dem Notarzt doch die schwierigen Venenverhältnisse. Zwischenzeitlich hatte die Arzthelferin die Infusion gerichtet und gab Ruhe. (War die Lösung eigentlich noch in Ordnung? Die lag doch den ganzen Winter im Auto und war schon mal gefroren….)

Und wie ich immer sage: „So ein Intubationsbesteck macht auch auf Laien einen Supereindruck und zeichnet den Profi aus“. Aber erstmal musste ich absaugen. (Prima, dass die tolle Absaugpumpe damals auch im Koffer war.) Was da alles aus dem Mund kam! Kein Wunder das er zyanotisch war. „Die Intubation auf der Strasse ist nicht einfach“, sagte schon mein alter Onkel, Hausarzt Dr. Horn. Und ich kann Euch sagen: Recht hat der Mann. Ich musste mehrfach ansetzen und war froh, als der Tubus endlich drin war. Lag aber auch am Patienten: Was hat der sich gewehrt! Warum musste der auch ständig husten und mit der Hand am Tubus ziehen? Ist ja nicht normal so was. Mindestens APGAR 3 würde ich sagen.

Na, irgendwann stand dann auch der Notarzt vor mir und hat einen Riesenaufstand gemacht und den Tubus, den ich gerade fixieren wollte, wieder rausgezogen, nur weil das bei der Beatmung angeblich so brodelte, dass man das schon „im Hubschrauber hören konnte“. Aber ich bin mir ganz sicher: „Mein Tubus sass!“ Der war doch nicht para!

Immer diese Notärzte, die können einem wirklich alles kaputt machen. Und wie der mich angemacht hat, als ich ihn fragte, ob ich mir aus dem Hubschrauber mein Einmalmaterial ersetzen dürfte. Also, die lassen heutzutage wirklich schon die übelsten Choleriker fliegen! Wahrscheinlich total überarbeitet. Wollte sich nicht mal helfen lassen, den Patienten auf die Vakuum-Matratze zu legen. So eine Undankbarkeit erlebt man auch nicht alle Tage.

Toll war allerdings, als mich der Polizist mit „Herr Doktor“ ansprach. (Soll ich mir vielleicht nicht doch noch das Rückenschild mit „Notarzt“ ins Auto legen? Hab’s zuhause schon mal versuchsweise probiert. Steht mir eigentlich ganz gut. Muss man sich beim Notfall auch nicht mehr mit blöden Ersthelfern rumärgern.)

Also, insgesamt war’s dann doch noch ein gelungener Nachmittag. Ist doch schön, wenn man helfen kann. Schade, dass man zu solchen Notfallsituationen viel zu selten kommt. Und mein Material habe ich mir mittlerweile auch wieder besorgt. Nur diese blöde Beschriftung am Koffer (1-83-3) muss ich noch wegkriegen. Kann mir da jemand einen Tipp geben?



Autor: Martin Horn, Rathausstr. 1, D-26188 Edewecht
entnommen aus dem Heft Rettungsdienst 7·2002